Medienshows und Menschenwürde - eine Leserzuschrift 

Leserzuschrift

 von Jutta Reuß


Hintergrund

Der Superstar-Finalist Daniel Küblböck mußte sich in der RTL-Serie "Ich bin ein Star - holt mich hier raus!" verschiedenen Prüfungen unterziehen, die ihn bis an die Grenze seiner psychischen Belastbarkeit gebracht haben.

Siehe auch:  Bericht auf RP-online

Bitte beachten Sie, daß die nachfolgend veröffentlichte Zuschrift die persönliche Meinung der Verfasserin und nicht automatisch auch die Meinung der Redaktion von www.gegen-gewalt.de wiedergibt!



"Wie lange machen die Medien noch so weiter?"

Wie lange machen die Medien noch so weiter – dürfen sie noch so weiter machen?

Wie lange kann es eigentlich noch dauern, bis auch Durchschnitts-Fernsehzuschauer, Leser von Zeitungen und Zeitschriften und Radiohörer endlich begreifen, welche Entwicklung wir in den Medien gerade miterleben. Da wird es plötzlich als salonfähig angesehen Menschen öffentlich auszubuhen, anzugreifen, zu diffamieren und zu verleumden. Gnadenlos wird auf Künstler und ihr vermeintliches „Nicht-Vermögen“ eingeprügelt. Allen voran die privaten Sender. Da wird den Zuschauern vermittelt, dass brutales Mobbinggehabe, mit dem Zweck der Machtdemonstration gegenüber dem Künstler legitim, begrüßenswert und erwünscht ist. So bereits passiert bei der ersten und zweiten Staffel der Sendung “Deutschland sucht den Superstar”, beim Cometen, beim Promiboxen oder beim Starcup. Aktuellstes Beispiel für diese Entartung und Entgleisung dürfte wohl das neue RTL-Format: „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“, sein.

Nicht genug damit, dass das Format schlecht durchdacht und, abgesehen von Daniel Küblböck, mit uninteressanten Teilnehmern ausgestattet wurde, wird hier an die niedersten Instinkte der Menschen appelliert, um Quote zu erzielen. Man sollte meinen, dass selbst dem letzten Zuschauer mittlerweile aufgegangen sein sollte, was hier wirklich beabsichtigt ist. Der einzige Grund, warum diese Sendung eingeschaltet wird, ist Daniel Küblböck. Er soll hier von den Zuschauern nach dem “Racheprinzip”, wofür auch immer abgestraft werden. Die Zuschauer können und dürfen, unterstützt von entsprechender Medienhetze, ihren niedersten Instinkten freien Lauf lassen, und ihren sadistischen Gelüsten, einen Menschen fertigzumachen, ungehindert und ungerügt nachgeben. Unklar ist zwar immer noch, wofür man Daniel Küblböck hier abstraft und leiden lässt. Klar ist aber, dass dieser Effekt gewollt ist und von den Medien für gut befunden und noch unterstützt wird. Wie einfach es ist, die Menschen zu beeinflussen, sieht man daran, dass es ohne Probleme möglich ist, den Haß der Leute auf eine andere Person zu lenken, wenn es der Quote dient. In diesem Fall auf Frau Beil, als man Gefahr läuft, dass der Quotenbringer der Sendung überfordert wird und eine Aufgabe droht, wodurch dir Quote wahrscheinlich ins Bodenlose fallen würde. Man braucht ihn solange wie möglich und zieht ihn erst einmal aus dem Fadenkreuz – bis auf weiteres!

Da arbeitet die Maschinerie eines privaten Senders, der seine Einschaltquoten auf die sadistischen Rachegelüste von boshaften und neiderfüllten Zuschauern auf einen 18-jährigen Menschen aufbaut, auf Hochtouren. Mittels seiner angeblichen „Talentfreiheit“ und Eigenheiten jenseits der Norm, sorgsam als Feinbild aufgebaut, denkbar geeignet als potentielles Opfer. Zu Lasten eines jungen Menschens, vor dem man eigentlich Hochachtung haben sollte, denn was er im letzten Jahr an Anfeindungen, Beleidigungen und Demütigungen weggesteckt hat, ist unglaublich. Von dem, was dieser junge Mensch an Mut, Zivilcourage und Charakterstärke aufbringt, könnte sich so manch wesentlich älterer Zeitgenosse, ein gutes Stück abschneiden.

Wenn man die heutigen Schlagzeilen zu diesem Thema sieht, fragt man sich allen Ernstes nur Eines: “Müssen wir Deutsche eigentlich ständig und bei jeder Gelegenheit beweisen, wie dumm, engstirnig, hasserfüllt, neidisch und rachsüchtig wir tatsächlich sind?” So mancher hat schon gute Gründe dafür, sich auf Auslandsreisen nicht als Deutscher zu outen.

Hat Daniel Küblböck irgend etwas getan, dass es möglich macht, ein solches menschenverachtendes und respektloses Verhalten für gerechtfertigt und akzeptabel zu betrachten? Da wird tatsächlich von „verdienter Rache“, gesprochen oder die Verantwortung für diese Entwicklung wird Daniel mit versuchten Rechtfertigungen, wie „das ist er doch selbst schuld!“, zugeschoben. Es reicht seinen Kritikern nicht, ihn ständig zu verreißen, und ihn als durchgeknallten talentfreien Clown darzustellen. Nein, man will ihn winselnd und weinend, gebrochen am Boden sehen. Genau das hat Daniel seinen Kritikern aber bisher nicht geboten, und ist auch nach härtesten Angriffen, gestärkt immer wieder aufgestanden. Bevor aber dieser Zusammenbruch, angestachelt von entsprechenden Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und bei den Sendern, nicht endgültig „erreicht“ ist, wird die Hetzkampagne in den Medien gegen ihn nicht aufhören. Solange es doch tatsächlich jemanden gibt, der dem Mobbing im großen Stil widersteht, und seinen Kritikern die so dringend gebrauchte Genugtuung nicht geben will, wird die ständig steigende Ablehnung und Gewalt gegenüber Daniel anhalten oder sich im schlimmsten Fall, sogar noch steigern. Heute ist es bei einem Prominenten in Ordnung sich so zu verhalten, morgen ist es der ungeliebte Mitschüler oder Kollege. Es wird ja öffentlich vorgelebt, also ist es auch in Ordnung, mit Menschen auf diese Art und Weise umzugehen. Muß es erst der eigene Sohn oder die eigene Tochter sein, bis darüber nachgedacht wird, was man hier einem Menschen antut?

Was auch immer die Gründe der Kandidaten für die Teilnahme an diesem Format waren, kann man nur hoffen, dass sie sich in Zukunft von RTL abwenden, und sich nicht mehr als Quotenbringer und Frustventil für kritiklose und sadistisch veranlagte Zuschauer ausnutzen lassen. Ganz besonders gilt das für Daniel Küblböck, denn Anerkennung seiner Leistung wird er von Menschen, die nur um der Machtdemonstration willen kritisieren, voten und diffamieren, nie bekommen. Selbst wenn er übers Wasser laufen würde, würde man sagen: “aber schwimmen kann er nicht!” Das ist nun einmal Deutschland!

Merkwürdig, dass es nur wenige kritische Zuschauer und Leser gibt, die sich über diese bedenkliche Entwicklung Gedanken machen. Selbst die Medienwächter reagieren erst nachdem man sie mit der Nase daraufgestoßen hat.

Jutta Reuß  (E-Mail)



Kommentare

Zu obigem Leserbrief erreichten uns viele Kommentare. Wie die Zugriffsstatistiken verraten, wurde der Text offenbar besonders intensiv von Teilnehmern des Diskussionsforums www.danielwelt.de, einer Website von Fans von Daniel Küblböck, gelesen und diskutiert. Im folgenden die Beiträge jener Einsender, die sich mit einer Veröffentlichung einverstanden erklärt haben.


   Kommentar Fr. Steinke

Ich habe aufgrund von massiver Werbung und Zeitungsschlagzeilen, die ersten Folgen dieser Sendung angesehen, und ich war entsetzt. Als begeisterte Science-Fiction-Leserin kannte ich solche Szenarios und habe sie als Fiktion sehr fasziniert gelesen, Aber ich bin immer noch schockiert darüber, dass in der Realität offensichtlich das Niedermachen von Menschen wieder salonfähig wird und tatsächlich in Salons mittels TV reingetragen. Grausamkeit zur Entspannung vorm Schlafengehen. Mit dem Telefonhörer zum begeistert mitquälen. Den finsteren Anteilen der Seele die Erlaubnis erteilen, tatsächlich ausgelebt zu werden. Die Römer mussten sich noch aus dem Haus ins Kolosseum bemühen, um begeistert zusehen zu können, ob Christen beim Anblick von Löwen zusammenbrechen oder nicht. Und alle Nachbarn konnten sehen, wer mitjubelt. Heute bleibt man innerhalb der privaten 4 Wände auf dem Sofa dazu, darf bei Bier und Knabberkram mitbestimmen, wer schikaniert wird. Und das auch noch anonym, ohne jede soziale Kontrolle. Ich fürchte, es wird nicht mehr lange dauern, bis in einer der Folgesendungen dann tatsächlich mal jemand stirbt vor Angst oder Ekel. Dann wird es betroffene Talk-Runden zum Thema geben mit ebenfalls traumhaften Einschaltquoten.

Was mich am tiefsten beeindruckt hat und am meisten bedrückt, ist die Tatsache, dass der offene Ausdruck von Verzweiflung, Angst und Kummer durch den Teilnehmer Daniel Küblböck dazu geführt haben soll, dass er mittels Zuschauervoting immer wieder zu diesen unsäglichen Sado-Parts (genannt Prüfungen) in dieser Show antreten sollte. Und es erst durch offensichtlich gezieltes und manipulatives Anbieten eines anderen Opfers (Caroline Beil) dem Sender gelang, ihn davon abzubringen, die Show zu verlassen. Der "Prüfung" am Tag vorher hatte er sich schon versagt. Dieser Einblick in das "gesunde Volksempfinden" gruselt mich zutiefst.

Ich würde es sehr begrüssen, wenn gegen diese in meinen Augen bedenkliche Verharmlosung von Diskrimierung und Menschenverachtung zu Show-Zwecken etwas unternommen werden könnte. Ich wäre auch bereit, mich dafür selbst zu engagieren.

Elisabeth Steinke  (E-Mail)


   Kommentar Fr. Jomaa

In dem o. g. Leserbrief ist alles ausgedrückt, was ich ebenfalls empfinde, so dass ich Sie nicht mit Wiederholungen langweilen möchte. Ich schließe mich voll und ganz der Meinung von Frau Reuß an.

Ich finde es erschreckend, dass die Medien ungestraft ihre Macht missbrauchen dürfen. Darüber hinaus ist es eine Unverschämtheit, den Zuschauer für derart ungebildet zu halten, dass man davon ausgeht, er bemerke nicht, wie Medien manipulieren und vorsetzlich falsch berichten. Ich könnte mich hier seitenweise zu diesem Thema äußern, jedoch ist mir angesichts des niveaulosen Programms, insbesondere der Privatsender, meine Zeit zu kostbar.

Eine Anmerkung noch zu Daniel Küblböck, weil er als Beispiel in dem o.g. Leserbrief erwähnt wurde. Dieser junge Mann hat meinen Respekt, weil er auf positive Weise der Gesellschaft einen Spiegel vorhält. Aus meiner Sicht ist er schlauer, als die Medienmacher, die mit ihren Ansichten noch im vergangenen Jahrtausend leben. Gerade weil die Medien ihn auf diese billige und menschenverachtende Weise vernichten wollen, werde ich diesen 18-Jährigen unterstützen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass Herr Küblböck bei diesen Sendern nicht mehr für Quote sorgt und diese ganz einfach meidet.

Angelika Jomaa  (49 Jahre alt)


   Kommentar Fr. Tolski

Ein sehr interessanter Artikel von Frau Reuß. Erst einmal wirklich die Aufmerksamkeit auf solche derzeit vorhandenen Exzesse gelenkt, wird mir schon ganz mulmig bei dem Gedanken an die "Deutschen" die sich doch so gerne friedliebend sehen. Anscheinend finden die Kriege auf einer anderen Ebene (Psycho und Mobbing) statt, und werden von den Medien und leider sogar teils gesellschaftlich verharmlost oder auch noch entschuldigt. Auch das hier beschriebene gewählte "Opfer" Daniel K. entspricht ja Historienvorgaben: vermeintlich schwach, anders als "Mann" zu sein hat und eigentlich "unschuldig" im kindlichen Sinne, was den Sadismus von frustrierten Seelen extra reizt.

Wohin führt dieses gewollte Polarisieren zugunsten der Quoten, das mediengesteuerte Schwerterwetzen? Sicher nicht zu Frieden und Toleranz!

Ingrid Tolski 


   Kommentar R. Uhrlau

In der Schule erlebe ich immer wieder mit wie es sein kann gemobbt zu werden, keiner findet das wirklich toll, aber es ist meist auch nie jemand da, der sich dagegen stellt! Mittlerweile ist es nicht mehr so extrem, doch in den Unterstufen kann es schonmal schlimmer werden, ich kenne das selber! Niemand findet das toll jemanden zu verletzen oder selber verletzt zu werden, aber trotzdem zieht irgendwie doch jeder mit!

Bei Daniel ist es ähnlich , wenn jemand sagt er findet ihn scheisse, darf der Freund kein Fan davon sein! Ich finde es schade dass die meisten keine Toleranz an den Tag bringen und so handeln.

R. Uhrlau  (14 Jahre)


   Kommentar Fr. Betz

Ich habe mir das RTL-Format "Ich bin ein Star - holt mich hier raus" angesehen, weil ich erwartet hatte, daß sich dort verschiedene Promis ohne Luxus durchschlagen müssen, d.h. Zusammenleben in der Gruppe, Kochen oder Hygiene organisieren und Essen zu verdienen, dadurch daß sie Geschicklichkeitsaufgaben lösen oder mal eine Spinne anfassen müssen. Leider kam es ungleich härter, was mir jegliche Unterhaltung an der Sendung verdarb.

Das Telefonvoting war so unfair reglementiert, daß es möglich war, ein und denselben Promi über mehrere Tage zu schickanieren. Die Prüfungen waren unrealistisch, menschen- und tierverachtend. Den Teilnehmern blieb kaum etwas anderes übrig als die ekligen Prüfungen zu machen, da sonst die ganze Gruppe nur eine sehr knapp rationierte Portion Reis und Bohnen bekam. Natürlich hatten sie pro forma die Möglichkeit, die jeweilige Prüfung oder ihren Dschungelaufenthalt abzubrechen, aber sie wurden nach Aussage der Teilnehmer im Buschtelefon so psychologisch bearbeitet, daß sie weitermachten. RTL half entsprechend nach. Es filmte zwar alles, aber durch geschicktes Auswählen und Wiederholen von bestimmten Szenen, das Wegschneiden von positiven Erlebnissen oder Abbruch-Bekundungen wurde auch in Zusammenarbeit mit der Springer-Presse manipuliert und Stimmungen erzeugt und angeheizt. Zudem gewann ich den Eindruck, daß die Teilnehmer von RTL nicht ausreichend informiert waren, da einige nicht wußten, daß z.B. das Essen rationiert war oder glaubten, einen Abenteuer-Urlaub zu machen. Was ist es außerdem für ein Gebahren, dreimal bei Prominenenten anzufragen und so zu nerven, ob sie nach ihrer Absage nicht doch teilnehmen wollten?

RTL hat es mit dieser Show Durchschnittsmenschen ermöglicht, vom Fernsehsessel aus ihren Neid, Hass und ihre Schadenfreude gegenüber Prominenten auszuleben - man kann Promis nur durch Tippen einer Telefonnummer quälen oder blamieren. Sehr, sehr viele Zuschauer hätten wahrscheinlich selbst nicht den Mumm, entweder das zu tun, was sie von Prominenten sehen wollen oder sich zu blamieren. Fast genauso bedenklich finde ich, daß eine solche Show ermöglicht (oder zumindest so verkauft wird), das Image eines Stars komplett zu verändern. Denn es sollte nicht so sein, daß das private Verhalten eines Stars, sein Verhalten in der Öffentlichkeit oder das in den Medien vermittelte Bild von ihm so unterschiedlich sind, daß es nötig wird, durch eine solche Show das vermeintlich wahre Ich des Stars aufzudecken.

Katja Betz 



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Letzte Aktualisierung dieser Seite:  24.06.2015